Erich Grisar. Mit Kamera und Schreibmaschine durch Europa. 1928-1933
Fotoausstellung von Erich Grisar
Ab dem 5. März zeigt das LWL-Industriemuseum Zeche Zollern II/IV gemeinsam mit dem Stadtarchiv Dortmund in den Ausstellungsräumen der Alten Werstatt auf Zollern eine Foto-Ausstellung des in der Nordstadt aufgewachsenen Schriftstellers, Fotografen und Journalisten Erich Grisar. Die Ausstellung basiert auf dem 1932 erstmals publizierten gleichnamigen Reisebericht, in dem nur ein kleiner Teil der seinerzeit gemachten Fotos und Reportagen veröffentlicht wurde.
Das Kooperationsprojekt mit Nordstadtinstitutionen “Mein Europa-Mit Erich Grisar unterwegs in Europa-Zuhause in der Nordstadt“ soll eine Brücke zum jetzigen Europa schlagen und zeigt die Gegenwart aus Sicht der heutigen Bewohner der Dortmunder Nordstadt.
Aus dem 4200 Fotos umfassenden Nachlass Erich Grisars, der 2011 dem Stadtarchiv Dortmund übereignet und inzwischen digitalisiert wurde, sind ungefähr ein Drittel de Aufnahmen auf seinen Reisen durch Europa entstanden. Davon werden jetzt 255 ausgewählte Fotos und Texte seiner fünfjährigen Tour durch Europa gezeigt.
Seine Reisen führten ihn nach Holland, Belgien, England, Polen, Tschechoslowakei, Italien, Frankreich und Spanien, wo er vor allem Menschen in ihrer jeweiligen Arbeits- und Lebenssituation fotografierte. Unter anderem besuchte er die Schlachtfelder des 1. Weltkriegs, an dem er als Soldat teilgenommen hat. Vermutlich war dies auch der Antrieb für seine Reise durch Europa.
Der Reisebericht mit beeindruckenden Fotos und Texten hat im Gegensatz zu den damaligen Reiseberichten eher dokumentarischen Charakter. Grisar fotografierte nicht den fröhlich vor sich hin pfeifenden Bildungsreisenden in einer Postkartenidylle, sondern das Leben der „kleinen Leute“, die Armut, das Elend und die vielerorts vorherrschende Ungerechtigkeit. Es ging Grisar in seinen Reportagen stets darum, die sozialen Missstände, die am Rande der Gesellschaft zu finden sind, aufzudecken. Es ist somit eher ein sozialwissenschaftliches Zeitdokument der damaligen Zustände im Europa der 30er Jahre.
Ein solches Zeitdokument ist auch die Begleitausstellung "Mein Europa - Mit Erich Grisar unterwegs in Europa - Zuhause in der Nordstadt".
Sie entstand im Rahmen eines generationsübergreifenden Projekts mit fünf Bildungspartnern aus der Dortmunder Nordstadt. Menschen aus 23 Ländern im Alter von sechs bis 85 Jahren haben ihre persönliche Haltung zum Thema Europa in Fotografien, Objekten, Interviews und Bildergeschichten festgehalten. Im Verlauf von acht Monaten entstanden 36 Exponate, die liebevoll von Annette Kritzler kuratiert wurden.
In diesem Projekt beschäftigen sich die Kooperationspartner*innen aus der Dortmunder Nordstadt mit der Frage „Was bedeutet Europa für mich?“
Der “Raum vor Ort“, eine Außenstelle der Katholischen Erwachsenen- und Familienbildung an der Ruhr, hat sich mit einer „Reisegruppe“ und „Grisars Rucksack“ auf den Weg gemacht, um ihn mit Bildern und Geschichten über Europa zu füllen.
Die „Kielhornschule“, eine Förderschule mit dem Schwerpunkt Lernen in der Nordstadt, stellt sich dem Thema mit einer Visualisierung der Reisebewegungen in Europa und darüber hinaus, wobei der Ausgangs- und Endpunkt dieser „Reisen“ die Nordstadt ist.
Der „Italienverein. Zentrum für Sprach- und Kulturvermittlung e.V.“ stellte sich die Frage, wie man kulturelle Geschichten und Erinnerungen bewahren kann. Das Resultat ist eine Kindergeschichte, die von den 6- bis 60 jährigen Vereinsmitgliedern erarbeitet und illustriert wurde.
„Amen juvlja Mundial“ – „Wir Frauen weltweit“ ist ein Projekt mit sieben Näher*innen aus dem Rom:njakulturkreis, die inspiriert von vier Bildern Grisars anspruchsvolle textile Kunstwerke schufen. Für Angehörige dieser Volksgruppe hat Europa verschiedene Bedeutungen. Einerseits die Reisefreiheit ohne Grenzen in der EU und die damit verbundenen Chancen und verbesserte Teilhabe. Andererseits gehören sie zu den am stärksten diskriminierten und stigmatisierten Volksgruppen in Europa. Dieses Projekt wird von der „GrünBau gGmbH“ begleitet.
Das „Jugendforum Nordstadt“ ist ein Projekt der „Planerladen GmbH“ und fördert gesellschaftliche und politische Teilhabe, motiviert Jugendliche sich zu engagieren und ihre Ideen in die Praxis umzusetzen. Die Jugendlichen zeigen Europa und die Nordstadt mit Fotografien und aufschlussreichen Texten, wie einst Erich Grisar, aus ihrer ganz eigenen Perspektive und ihrem Verständnis für Europa.
Die Mädchengruppe des Nordtreffs „Arakasamen“ bietet Mädchen ab 8 Jahren eigene Räume sich zu entfalten. Ein Großteil der Teilnehmerinnen des „GrünBau“-Projekts sind Rom:nja und haben schon in anderen europäischen Ländern gelebt. Sie haben ein anderes Verständnis für Europa, ähnlich wie Grisar konnten sie vielfältige Erfahrungen mit europäischen Kulturen sammeln. Diese Erfahrungen bringen sie in einer gemeinschaftlich erschaffene Rauminstallation zum Ausdruck, die sich mit den Reisen, den familiären Wurzeln und transnationalen Identitäten auseinandersetzt.
Veranstaltungsort
LWL-Industriemuseum Zeche Zollern II/IV
Westfälisches Landesmuseum für Industriekultur
Grubenweg 5
44388 Dortmund
Bericht und Foto: Carsten Hansen